Das kleine Mädchen mit den Schwefel-Hölzchen
                               Hans Christian Andersen

Märchen



                                                                                                          Foto Jasmin


Es war entsetzlich kalt; es schneite, und der Abend dunkelte bereits;
 es war der letzte Abend im Jahre, Silvesterabend. In dieser Kälte und in dieser Finsternis ging auf der Straße ein kleines armes Mädchen mit bloßen Kopfe und nackten Füßen.








Da ging nun das kleine Mädchen auf den nackten zierlichen Füßchen,
 die vor Kälte ganz rot und blau waren. In ihrer alten Schürze trug sie eine Menge Schwefelhölzer und ein Bund hielt sie in der Hand. Während des ganzen Tages hatte ihr niemand etwas abgekauft, niemand ein Almosen gereicht. Hungrig und frostig schleppte sich die arme Kleine weiter und sah schon ganz verzagt und eingeschüchtert aus. Die Schneeflocken fielen auf ihr langes blondes Haar, das schön gelockt über ihren Nacken hinabfloss, aber bei diesem Schmucke weilten ihre Gedanken wahrlich nicht. Aus allen Fenstern strahlte heller Lichterglanz und über alle Straßen verbreitete sich der Geruch von köstlichem Gänsebraten. Es war ja Silvesterabend, und dieser Gedanke erfüllte alle Sinne des kleinen Mädchens.






                                                                                                                                        Fotos Jasmin



Aber im Winkel am Hause lag in der kalten Morgenstunde das kleine Mädchen mit roten Wangen,
 mit Lächeln um den Mund - tot, erfroren am letzten Tage des alten Jahres.






                                                                                               
                                              

 Der Morgen des neuen Jahres ging über der kleinen Leiche auf, die mit den Schwefelhölzern, wovon fast ein Schächtelchen verbrannt war, dalag. "Sie hat sich wärmen wollen!" sagte man. Niemand wußte, was sie schönes gesehen hatte, in welchem Glanze sie mit der alten Großmutter zur Neujahrsfreude eingegangen war.




                                                    
                     


Die wunderschönen Bilder sind von der Russin Anastassija Archipowa (Illustrator).


In Andersens Märchen schwingt eine leise Melancholie mit, die aber immer wieder getragen wird von einer stillen Hoffnung, dass alles im Leben einen Sinn haben wird. Die Sprache berührte schon zu Kinderzeiten das Herz durch ihre schlichte und zarte Schönheit.