Eine
wundervolle Geschichte für Kleine und Große
Es war einmal eine kleine Seele. Und diese kleine Seele wußte,
daß sie das Licht ist.
Doch sie wollte sich selbst auch als das Licht
erleben.
Gott
erklärte ihr, daß sie die Dunkelheit erfahren müsse,
um das
Licht wirklich zu kennen.
Und so begab sich die kleine Seele in ein
Abenteuer,
das
eigentlich das Abenteuer ist, das wir alle hier auf der Erde erleben.
"Diese
schlichte Geschichte möchte uns helfen zu verstehen,
warum
manchmal "schlimme" Dinge geschehen.
Sie
verrät auch, warum es ganz in Ordnung ist,
sich
selbst als etwas Besonderes anzusehen
und
andere Menschen wissen zu lassen,
wie
besonders jeder auf seine Weise ist.
Und
schließlich zeigt diese Geschichte auch,
daß Gott
uns alle auf die gleiche Weise liebt und selbst die Menschen,
die wir
nicht für unsere Freunde halten,
Gottes
Engel in Verkleidung sein könnten
und ein
Geschenk für uns haben:
die Gabe, in Toleranz, Vergebung und Verständnis
zu
wachsen und der Mensch sein zu können, der wir wirklich sind."
Eine kleine Seele spricht mit Gott
Einmal, vor zeitloser Zeit, da war eine kleine Seele, die sagte
zu Gott:
„Ich weiß, wer ich bin!“
Und Gott antwortete: „Oh, das ist ja wunderbar! Wer bist du
denn?“
Die kleine Seele rief: „Ich bin das Licht!“
Und auf Gottes Gesicht erstrahlte das schönste Lächeln. „Du hast recht“
bestätigte er, „du bist das Licht!“
Da war die kleine Seele überglücklich, denn sie hatte genau das entdeckt,
was alle Seelen im Himmelreich herausfinden wollen.
„Hey“, sagte die kleine Seele, „das ist ja Klasse!“
Doch bald genügte es der kleinen Seele nicht mehr, zu wissen,
wer sie war.
Sie wurde unruhig, ganz tief drinnen, und wollte nun sein,
wer sie war. So ging sie wieder zu Gott. Es ist übrigens keine
schlechte Idee, sich an Gott zu wenden, wenn man das sein
möchte,
was man eigentlich ist.
Sie sagte: „Hallo Gott! Nun, da ich weiß, wer ich bin, könnte
ich es
nicht auch sein?“
Und Gott antwortete der kleinen Seele: „Du meinst, dass du sein
willst, was du schon längst bist?“
„Also“, sprach die kleine Seele, „es ist schon ein Unterschied,
ob ich nur weiß, wer ich bin, oder ob ich es auch wirklich bin.
Ich möchte fühlen, wie
es ist, das Licht zu sein!“
„Aber du bist doch das Licht“, wiederholte Gott, und er lächelte wieder.
Doch die kleine Seele jammerte: „Ja, aber ich möchte doch
wissen,
wie es sich anfühlt, das Licht zu sein!“
Gott schmunzelte: „Nun, das hätte ich mir denken können. Du
warst
schon immer recht abenteuerlustig. Es gibt da nur eine Sache “
und Gottes Gesicht wurde ernst. „Was denn?“ fragte die kleine Seele.
„Nun. Es gibt nichts
anderes als Licht. Weißt du, ich habe nichts
anderes erschaffen als das, was du bist. Und deshalb wird es
nicht
so einfach für dich, zu werden, wer du bist. Denn es gibt
nichts,
das nicht so ist wie du.“
„Wie?“ fragte die kleine Seele und war ziemlich verwirrt.
„Stell es dir so vor“, begann Gott, „du bist wie der Schein
einer
Kerze in der Sonne. Das ist auch richtig so. Und neben dir gibt
es
noch viele Millionen Kerzen, die gemeinsam die Sonne bilden.
Doch
die Sonne wäre nicht die Sonne, wenn du fehlen würdest. Schon
mit
einer Kerze weniger wäre die Sonne nicht mehr die Sonne, denn
sie
könnte nicht mehr ganz so hell strahlen. Die große Frage ist
also:
Wie kannst du herausfinden, dass du Licht bist, wenn du überall
von
Licht umgeben bist?“
Da sagte die kleine Seele frech: „Du bist doch Gott! Überlege
dir
halt etwas!“
„Du hast recht!“ sagte Gott und lächelte wieder. „Und mir ist
auch
schon etwas eingefallen. Da du Licht bist und dich nicht
erkennen kannst,
wenn du nur von Licht umgeben bist, werden wir dich
einfach
mit Dunkelheit umhüllen.“
“Was ist denn Dunkelheit?“ fragte die kleine Seele. Gott antwortete:
„Die Dunkelheit ist das,
was du nicht bist.“
„Werde ich Angst davor haben?“ rief die kleine Seele.
„Nur, wenn du Angst haben willst“, antwortete Gott.
„Es gibt überhaupt nichts, wovor du dich
fürchten müsstest,
es sei denn, du willst
dich fürchten.
Weißt du: die ganze Angst denken wir uns nur selbst aus.“
„Oh!“, die kleine Seele
nickte verständig und fühlte sich gleich wieder besser.
Dann erklärte Gott, dass oft erst das Gegenteil von dem
erscheinen
müsse, was man erfahren wolle. „Das ist ein großes Geschenk“,
sagte
Gott, „denn ohne das Gegenteil könntest du nie erfahren, wie
etwas
wirklich ist. Du würdest Wärme nicht ohne Kälte erkennen, oben
nicht
ohne unten, schnell nicht ohne langsam. Du könntest rechts nicht
ohne links erkennen, hier nicht ohne dort und jetzt nicht ohne
später. Und wenn du von Dunkelheit umgeben bist", schloss Gott
ab,
"dann balle nicht deine Faust, und erhebe nicht deine
Stimme, um die
Dunkelheit zu verwünschen. Sei lieber ein Licht in der
Dunkelheit,
statt dich über sie zu ärgern. Dann wirst du wirklich wissen,
wer du bist
wer du bist
und alle anderen werden es auch wissen. Lass dein Licht
scheinen, damit die anderen sehen können, dass du etwas
Besonderes bist.“
„Meinst du wirklich, es
ist in Ordnung, wenn die anderen sehen können,
dass ich etwas Besonderes bin?“
„Natürlich!“ Gott lächelte. „Es ist sogar sehr in Ordnung.
Doch denke immer daran: etwas Besonderes zu sein heißt nicht, besser zu
sein. Jeder ist etwas Besonderes, jeder auf seine Weise. Doch
die
meisten haben das vergessen. Erst wenn sie merken, dass es für
dich
in Ordnung ist, etwas Besonderes zu sein, werden sie begreifen,
dass es auch für sie in Ordnung ist.“
„Hey!“ rief die kleine Seele und tanzte, hüpfte und lachte
voller Freude.
„Ich kann also so besonders sein, wie ich will!“
„Ja, und du kannst auch sofort damit anfangen“, sagte Gott
und tanzte, hüpfte und lachte mit der kleinen Seele.
„Wie möchtest du denn besonders gerne sein?“
„Wie möchtest du denn besonders gerne sein?“
„Was meinst du mit wie?“ fragte die kleine Seele. „Das verstehe
ich nicht!“
„Nun, das Licht zu sein
bedeutet, etwas Besonderes zu sein. Und das
kann sehr viel bedeuten. Es ist etwas Besonderes, freundlich zu sein.
Es ist etwas Besonderes, sanft zu sein. Es ist etwas Besonderes,
schöpferisch zu sein. Es ist etwas Besonderes, geduldig zu sein.
Fallen dir noch andere Dinge ein, mit denen man etwas
Besonderes sein kann?“
Die kleine Seele saß einen Moment lang ganz still da. Dann rief
sie:
„Ja, ich weiß eine ganze Menge anderer Dinge, mit denen man
etwas
Besonderes sein kann! Es ist etwas Besonderes, hilfreich zu
sein.
Es ist etwas
Besonderes, rücksichtsvoll zu sein, und es ist etwas
Besonderes, miteinander zu teilen!“
„Ja“, stimmte Gott zu, „und all das kannst du jederzeit auf
einmal sein-
oder auch nur ein Teil davon. Dies ist die wahre Bedeutung davon,
Licht zu sein.“
“Ich weiß, was ich sein will! Ich weiß, was ich sein will!“ rief
die
kleine Seele ganz aufgeregt „Ich möchte der Teil des Besonderen
sein, den man Vergebung nennt. Ist zu vergeben nicht etwas Besonderes?“
„Oh ja!“ versicherte Gott
der kleinen Seele. „Dies ist etwas ganz Besonderes!“
„In Ordnung!“ sagte die
kleine Seele. „Das ist es, was ich sein will.
Ich möchte Vergebung sein. Ich möchte mich selbst als
genau das erfahren.“
„Gut“, sagte Gott, „doch
da gibt es noch eine Sache, die du wissen solltest.“
Die kleine Seele wurde langsam etwas ungeduldig. Immer schien es
irgendwelche Schwierigkeiten zu geben. „Was denn noch?“ stöhnte
sie.
“Es gibt keinen, dem du vergeben müsstest.“ „Keinen?“
Die kleine Seele konnte kaum glauben, was Gott da sagte.
„Keinen!“ wiederholte Gott. „Alles, was ich erschaffen habe, ist vollkommen.
Es gibt in meiner ganzen Schöpfung keine einzige
Seele,
die weniger vollkommen wäre als du. Schau dich doch mal um.“
Da sah die kleine Seele, dass viele andere Seelen sich um sie
herum
versammelt hatten. Sie waren von überall her aus dem Himmelreich
gekommen. Es hatte sich nämlich herumgesprochen, dass die kleine
Seele eine ganz besondere Unterhaltung mit Gott führte, und jede
Seele wollte hören, worüber die beiden sprachen. Als die kleine
Seele die unzähligen anderen Seelen betrachtete, musste sie
zugeben,
dass Gott Recht hatte. Keine von ihnen war weniger schön,
weniger
strahlend oder weniger vollkommen als sie selbst. Die anderen
Seelen
waren so wundervoll, ihr Licht strahlte so hell, dass die kleine
Seele kaum hinsehen konnte.
“Wem willst du nun vergeben?“ fragte Gott.
„Au weia, das wird aber wenig Spaß machen!“ brummte die kleine
Seele
vor sich hin. „Ich möchte mich selbst als jemand erfahren, der vergibt.
Ich hätte so gerne gewusst, wie man sich mit diesem
Teil
des Besonderen fühlt.“ Und so lernte die kleine Seele, wie es
sich anfühlt
traurig zu sein.
Doch da trat eine freundliche Seele aus der großen Menge hervor.
Sie sagte: „Sei nicht traurig, kleine Seele, ich will dir helfen.“
„Wirklich?“ rief die kleine Seele. „Doch was kannst du für mich tun?“
„Ich kann dir jemand
bringen, dem du vergeben kannst!“ „Oh wirklich?“
„Ja, ganz bestimmt“,
kicherte die freundliche Seele. „Ich kann in
dein nächstes Erdenleben kommen und dir etwas antun,
damit du
mir vergeben kannst.“
„Aber warum willst du das für mich tun?“ fragte die kleine
Seele.
„Du bist doch ein vollkommenes Wesen! Deine Schwingungen sind so hoch
und dein Licht leuchtet so hell, dass ich dich kaum
anschauen kann !
Was bringt dich bloß dazu, deine Schwingungen so zu verringern,
dass dein Licht dunkel und dicht wird? Du bist so Licht,
dass du auf den Sternen tanzen und in Gedankenschnelle durch das
Himmelreich sausen kannst. Warum solltest du dich so schwer machen,
um mir in meinem nächsten Leben etwas Böses antun zu können?“
“Ganz einfach!“ sagte die freundliche Seele. „Weil ich dich lieb habe!“
Diese Antwort überraschte die kleine Seele.
„Du brauchst nicht erstaunt zu sein“, sagte die freundliche
Seele.
„Du hast das selbe auch für mich getan. Weißt du es nicht mehr?
Wir haben schon so oft miteinander getanzt. Ja, du und ich! Wir
haben
durch Äonen und alle Zeitalter hindurch und an vielen Orten
miteinander gespielt. Du hast es nur vergessen. Wir beide sind
schon
alles gewesen. Wir waren schon oben und waren unten, wir waren
schon
rechts und waren links. Wir waren hier und waren dort, wir waren
im
Jetzt und waren im Später. Wir waren schon Mann und waren Frau,
wir
waren gut und waren schlecht – beide waren wir schon das Opfer,
und
beide waren wir der Schurke. So kommen wir immer wieder zusammen
und helfen uns immer wieder, das auszudrücken, was wir wirklich
sind.
Und deshalb", erklärte die freundliche Seele weiter,
"werde ich in
dein nächstes Erdenleben kommen und der Bösewicht sein. Ich
werde
dir etwas Schreckliches antun, und dann kannst du dich als
jemand
erfahren, der vergibt.“
“Aber was wirst du tun?“ fragte die kleine Seele, nun doch etwas
beunruhigt. „Was wird denn so schrecklich sein?“
„Oh“, sagte die freundliche Seele mit einem Lächeln, „uns wird
schon
was einfallen!“ Dann wurde die freundliche Seele sehr ernst und
sagte mit leiser Stimme:
„Weißt du, mit einer Sache hast du vollkommen recht gehabt.“
„Mit was denn“, wollte
die kleine Seele wissen.
„Ich muss meine Schwingung sehr weit herunterfahren und sehr
schwer werden,
um diese schreckliche Sache tun zu können. Ich muss so
tun,
als ob ich jemand wäre, der ich gar nicht bin. Und dafür muss
ich
dich um einen Gefallen bitten.“
„Du kannst dir wünschen, was du willst!“ rief die kleine Seele,
sprang umher und sang: „Hurra, ich werde vergeben können! Ich
werde
vergeben können!“ Da bemerkte die kleine Seele, dass die
freundliche
Seele sehr still geworden war. „Was ist? Was kann ich für dich
tun?“
fragte die kleine Seele. „Du bist wirklich ein Engel, wenn du
diese
schreckliche Sache für mich tun willst!“
Da unterbrach Gott die Unterhaltung der beiden Seelen:
„Natürlich
ist diese freundliche Seele ein Engel! Jedes Wesen ist ein
Engel!
Denke immer daran: Ich habe dir immer nur Engel geschickt!“
Die kleine Seele wollte doch so gern den Wunsch der freundlichen
Seele erfüllen und fragte nochmals: „Sag schon:
Was kann ich für dich
tun?“
Die freundliche Seele antwortete: „In dem Moment, in dem wir
aufeinander treffen und ich dir das Schreckliche antue – in
jenem
Moment, in dem ich das Schlimmste tue, was du dir vorstellen
kannst,
also in diesem Moment...“ „Ja?“ sagte die kleine Seele, ja?“
Die freundliche Seele wurde noch stiller: „denke daran,
wer
ich wirklich bin!“
„Oh, das werde ich bestimmt!“ rief die kleine Seele. „Das
verspreche
ich dir! Ich werde mich immer so an dich erinnern, wie ich dich
jetzt hier sehe!“
„Gut!“ sagte die freundliche Seele. „Weißt du, ich werde mich so
verstellen müssen, dass ich mich selbst vergessen werde. Und
wenn du
dich nicht erinnerst, wie ich wirklich bin, dann werde ich mich
selbst für eine sehr lange Zeit auch nicht daran erinnern
können.
Wenn ich vergesse, wer ich bin, dann kann es passieren, dass
auch du
vergisst, wer du bist. Und dann sind wir beide verloren. Dann
brauchen wir eine weitere Seele, die in unser Leben kommt und
uns
daran erinnert, wer wir wirklich sind.“
Doch die kleine Seele versprach noch einmal: „Nein, wir werden
nicht
vergessen, wer wir sind! Ich werde mich an dich erinnern! Und
ich
werde dir sehr dankbar dafür sein, dass du mir dieses große
Geschenk
machst – das Geschenk, dass ich erfahren darf, wer ich wirklich bin.“
Und so schlossen die beiden Seelen ihre Vereinbarung. Die kleine
Seele begab sich in ein neues Erdenleben. Sie war ganz
begeistert,
dass sie das Licht war, das so besonders ist, und sie war so
aufgeregt, dass sie jener Teil des Besonderen sein durfte,
der Vergebung' heißt. Sie wartete begierig darauf, sich selbst als
Vergebung erfahren zu können und der anderen Seele dafür danken
zu
dürfen, dass sie diese Erfahrung möglich gemacht hat. Und in
jedem
Augenblick dieses neuen Erdenlebens, wann immer eine neue Seele
auftauchte, ob sie nun Freude oder Traurigkeit brachte - natürlich
besonders wenn sie Traurigkeit brachte –, fiel der kleinen Seele ein,
was Gott ihr einst mit auf den Weg gegeben hatte:
„Denke
stets daran“, hatte Gott mit einem Lächeln gesagt,
„ich habe dir immer nur Engel geschickt!“
Neale Donald Walsch